Abgeschlossene Forschungsprojekte
Jenseits der Dyade: Die Effekte von Datenaustausch in Unternehmensnetzwerken auf den Privacy Calculus
Bisherige Forschungsarbeiten erklären Entscheidungen über die Datenpreisgabe von Konsumenten überwiegend mit dem „Privacy Calculus“, welcher von einer rationalen Risiko-Nutzen-Abwägung ausgeht. Studien auf dieser theoretischen Grundlage untersuchten vor allem dyadische Beziehungen zwischen Konsumenten und einem Unternehmen. Aktuelle Technologien ermöglichen jedoch die Erfassung, Speicherung und Analyse von Konsumentendaten in bislang ungekanntem Ausmaß und erlauben so neue Geschäftsmodelle die über die Konsumenten-Unternehmens-Dyade hinausgehen und auf der Sammlung und dem Handel von Konsumentendaten in Firmennetzwerken basieren. Wir bezeichnen solche Praktiken – in unserem englischen Antragstext – als „business network data exchange“ (BNDE). Typischerweise erhalten Konsumenten in Firmennetzwerken, die BNDE praktizieren, digitale Dienstleistungen für die Preisgabe persönlicher Daten. Im Gegenzug können die Nutzerdaten von allen Firmen im Netzwerk genutzt werden. Beispielsweise verwendet der Musik-Streaming-Dienst Spotify Nutzerdaten in einem Firmennetzwerk von Werbetreibenden, Konzertanbietern und weiteren Drittfirmen. Auch traditionelle Branchen wie Einzelhandel, Luftfahrtindustrie oder Automobilindustrie entwickeln vermehrt BNDE-basierende Geschäftsmodelle, um gemeinsam mit Technologieunternehmen Kundendaten zu monetarisieren. Bei der Erklärung von Konsumentenentscheidungen über die Datenpreisgabe an ein Firmennetzwerk stößt die etablierte Privacy-Calculus-Theorie an ihre Grenzen und muss von der dyadischen Perspektive zu einer Netzwerkperspektive erweitert werden. Zudem nimmt die Mehrheit der bisherigen Studien zu Entscheidungen über die Datenpreisgabe eine rationale Kosten-Nutzen-Abwägung an. Ein rein rationaler Ansatz kann im BNDE-Kontext jedoch nicht ausreichen, da die Konsumenten mit einem hohen Grad an Unsicherheit konfrontiert sind, die daher rührt, dass die Daten an ein ganzes Netzwerk unbekannter Firmen preisgegeben werden. Aufgrund dieser Unsicherheit werden sich Konsumenten im BNDE-Kontext stärker durch ihre affektiven Reaktionen beeinflussen lassen, statt sich bei ihren Entscheidungen ausschließlich auf eine rationale, kognitive Kosten-Nutzen-Abwägung zu verlassen.
Das vorgeschlagene Projekt verfolgt vier Ziele. Erstens wollen wir aufzeigen, dass affektive Prozesse für die Datenfreigabeentscheidung von Konsumenten in BNDE-Kontexten eine entscheidende Bedeutung haben. Zweitens wollen wir untersuchen, welchen Einfluss die Eigenschaften des Austauschprozesses zwischen Kunde und Firmennetzwerk auf das affektive und kognitive Verarbeiten von BNDE-Situationen haben. Drittens wollen wir verstehen, welchen Einfluss Netzwerkcharakteristika auf Entscheidungen über die Datenpreisgabe im BNDE-Kontext haben. Viertens wollen wir mit unseren praktischen Implikationen dazu beitragen, dass Konsumenten bessere Entscheidungen treffen können und zudem Firmen helfen, ihre BNDE-Netzwerke so zu gestalten, dass sie bei den Konsumenten auf Akzeptanz stoßen.
Keywords: Privacy Calculus, persönliche Daten, affektive Entscheidungsprozesse, Unternehmensnetzwerke
Im Fokus des vom Bayerischen Forschungsinstitut für Digitale Transformation (bidt) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften unterstützten Projektes steht der Umgang mit personenbezogenen Daten aus interdisziplinärer Perspektive. Ziel ist es zu untersuchen, inwieweit die Bereitschaft, eigene Daten preiszugeben, von einer kulturellen Prägung sowie von dem bestehenden rechtlichen Rahmen abhängt. Auch die Rolle kognitiver und affektiver Faktoren wird berücksichtigt. Darüber hinaus soll erstmals auf breiterer vergleichender Grundlage der transnationale Charakter von Geschäftsmodellen erfasst werden, die auf der Preisgabe von persönlichen Daten basieren.
Diese und weitere Fragen untersuchen Forscherinnen und Forscher aus drei Fakultäten der Universität Passau im Projekt „Vektoren der Datenpreisgabe“. Die Forschungsgruppe arbeitet gemeinsam im Rahmen eines internationalen Vergleichs und vereint dabei Perspektiven der Rechtswissenschaft, Kulturwissenschaft und Wirtschaftsinformatik.
Die beteiligten Lehrstühle sind:
Lehrstuhl für Europäisches und Internationales Informations- und Datenrecht (Prof. Dr. Moritz Hennemann),
Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Medien- und Informationsrecht (Prof. Dr. Kai von Lewinski),
Lehrstuhl für Englische Sprache und Kultur (Prof. Dr. Daniela Wawra),
Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik mit Schwerpunkt Betriebliche Informationssysteme (Prof. Dr. Thomas Widjaja).
Der Themenschwerpunkt „Digitalisierung, vernetzte Gesellschaft und (Internet)Kulturen“ schafft fakultätsübergreifend Brücken an der Universität Passau: von den Sprach- und Kultur- über die Wirtschaftswissenschaften und die Informatik bis hin zu den Rechtswissenschaften und zur Psychologie. Die Forscherinnen und Forscher beschäftigen sich dabei mit Themen wie der veränderten Kommunikation und Filter-Blasen in digitalen Kanälen, den Implikationen datengetriebener Plattform-Ökonomien für etablierte Organisationen und Regulierung sowie den Chancen und Risiken von Digitalisierung in Entwicklungsländern.
Innovative IT-Dienstleistungen: Wie B2B-Kunden entscheiden
Während bereits eine Vielzahl von Erkenntnissen über die Adoption von Innovationen auf Konsumentenebene existiert, sind diese Entscheidungen im Business-to-Business (B2B)-Bereich bisher nur unzureichend untersucht. Dies trifft insbesondere auf Dienstleistungsinnovationen zu, die sowohl für Anbieter von Sachgütern als auch von Dienstleistungen substantielle Wachstumsmöglichkeiten eröffnen.
Aufgrund ihrer Rolle als entscheidende Treiber für zukünftiges Wachstum über Branchengrenzen hinweg, ist das Verständnis von Einflussfaktoren auf Kaufentscheidungen der Kunden erfolgskritisch für Anbieter von Dienstleistungsinnovationen.
B2B-Kaufentscheidungen werden durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst und sind daher sowohl aus Kundensicht als auch aus Sicht der Anbieterunternehmen äußerst komplex (z. B. werden diese Entscheidungen oft durch mehrere Personen in einem Buying-Center nach einem langen Auswahlprozess getroffen).
An dieser Herausforderung setzt das vorgeschlagene Forschungsvorhaben an. Es wird ein integriertes Modell zur B2B-Adoption von Dienstleistungsinnovationen am Beispiel der Softwareindustrie entwickelt. Die Softwareindustrie zeichnet sich hierbei durch die Vielfalt von unterschiedlichen Dienstleistungen im B2B-Kontext, dem hohem relativen Dienstleistungsanteil am Umsatz der Softwareunternehmen und der starken Innovationsaktivität aus. Mit Hilfe des Modells wird untersucht, wie Anbieter von Dienstleistungsinnovationen im B2B-Bereich die Adoption gezielt steigern und somit die schnelle Verbreitung ihrer Produkte im Markt erreichen können.
Das Forschungsvorhaben wird in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Nicolas Zacharias (Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Marketing an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) durchgeführt.
Projektleitung an der Universität Passau | Prof. Dr. Thomas Widjaja (Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik mit Schwerpunkt Betriebliche Informationssysteme) |
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Laufzeit | 01.12.2015 - 31.08.2019 |
Mittelgeber | DFG - Deutsche Forschungsgemeinschaft > DFG - Sachbeihilfe |
Projektnummer | WI 4301/2-1, AOBJ 617210 |
Themenfelder | Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik (f. Wirtschaftswiss.), Betriebswirtschaftslehre |